Liebe Fanny, lieber Adrian, zu Beginn: Was unterscheidet Bläser von Streichern, bzw. was macht Bläser so besonders?
Fanny: Eigentlich alles. Es ist ja eine ganz andere Spieltechnik, bzw. sogar Spieltechniken. Denn wo Streichinstrumenten immer das gleiche Prinzip zugrundliegt – sie streichen mit einem Bogen über Seiten, die sie mit den Fingern in der Länge verändern – ist unter Bläsern alles verschieden. Unterschiedliche Mundstücke, unterschiedliche Fingersysteme, manche mit Klappen, manche mit einfachen Löchern, manchmal mit beidem gemischt, mit Ventilen, aus Holz, aus Metall… Nichts gleicht dem anderen und alle haben einen anderen Klang.
Und was ist das Tollste am Bläser-Dasein im Orchester?
Adrian: Bläser sind, im Gegensatz zu Streichern, immer solistisch besetzt. Das ist ein wunderschön zweischneidiges Schwert: Einerseits hast Du Deine eigenen Momente, in denen nur Du spielst, du hast wunderschöne Soli, Du bist alleine verantwortlich für die Aufbringung des musikalischen Gedankens an den Stellen, an denen Du spielst. Aber Du spielst dann auch immer alleine, heißt: Wenn irgendwas schiefläuft, bist Du auch selbst daran schuld.
Fanny: Außerdem sitzt man ziemlich weit hinten, was auch seine Vorteile haben kann…
Was ist für Euch die größte Herausforderung, wenn Ihr im Orchester spielt?
Fanny: Einsätze bekommen. Vor allem, wenn der Dirigent sagt, dass er ihn gibt, es dann aber vergisst. Und natürlich das Stimmen.
Adrian: (überlegt lange) Ich sage jetzt einfach mal die Intonation. Als Bläser hat man immer seinen eigenen Körper – wie man atmet, mit welchem Luftdruck man spielt – und all das wirkt sich darauf aus, wie hoch oder tief der Ton ist. Das so zu gestalten, dass man im Verhältnis zu allen anderen Bläsern richtig spielt und dass das perfekt auf den Klang des Streicherapparats passt, ist meist durchaus nicht einfach.
Was ist das Witzigste, was Ihr schon einmal im Orchester spielen durftet?
Adrian: Von Leroy Anderson „Die Schlittenfahrt“, wenn die Trompeten gegen Ende das Wiehern eines Pferdes nachahmen. Das war schon sehr lustig.
Fanny: Im Schulorchester wurde ich immer ziemlich universell eingesetzt wurde. Oft gab es bei den einfacheren Stücken keine Fagottstimme, und das, was dann gefehlt hat, habe ich halt übernommen. Sonst wurde ich zu den Celli gesteckt und wurde dort deshalb bis zum Schluss von allen „Edelcello“ genannt. Das stand dann sogar einmal in einem Programmheft und ich muss sagen, dass ich den Namen in jedem Falle sehr angemessen finde.
Fanny: Blechbläser sind immer zu laut, das ist doch kein unbegründeter Vorwurf. Auf jeden Fall oft… Holzbläser sind tatsächlich oft eher zu leise und kommen nicht gegen die vielen Streicher – und Blechbläser – an.
Adrian: Niemals. Die Blechbläser sind NIE zu laut. Der Rest des Orchesters ist einfach immer zu leise. Und zum Vorwurf „zu spät“: Das kommt halt einfach von der Tatsache, dass niemand vor dem Blech sitzen will, weil es zu laut sei, und man dementsprechend immer ganz hinten hocken muss. Dann dauert es eben auch, bis der Klang beim Dirigenten vorne ankommt. Gute Bläser spielen aber einfach immer ein wenig vor dem Schlag.
Und der Vorwurf, die Bläser seien chaotisch?
Adrian: Bläser sind nicht chaotisch. Punkt.
Fanny: Nur die Blechbläser. Und wenn wir vom ganzen Orchester sprechen, möchte ich die Schlagzeuger gar nicht erst angucken…
Was ist das Nervigste am Bläser-Dasein?
Adrian: Das Zählen. Und die vielen Pausen. Chronische Bläserkrankheit ist: Vergessen einzusetzen, weil man damit beschäftigt war, zu zählen. Komponisten könnten auch einfach mal ein bisschen mehr für Blechbläser schreiben… Dann gibt es noch die Situationen, in denen man einfach nur als akustische und harmonische Verstärkung der Pauke genutzt wird, was leider in früherer sinfonischer Literatur allzu häufig passiert. Dann darf man als Trompete das gesamte Stück lang zwischen Tonika und Dominante wechseln, immer Schläge auf eins und drei. Das ist wird schon sehr stumpfsinnig.
Fanny: Lange Proben sind für Bläser oft ziemlich anstrengend, weil irgendwann der Ansatz schlapp macht. Und einmal ein wirklich gutes Blatt oder Rohr zu haben, gleicht einem Weltwunder. Man merke sich: wenn Töne nicht stimmen, nicht kommen oder quietschen, ist immer das Blatt oder das Rohr schuld.
Blatt, Rohr, Ansatz – was sind denn Übe-Besonderheiten bei Euch Bläsern?
Adrian: Das hängt davon ab, was man tatsächlich spielt. Es gibt sehr viel Orchesterliteratur mit sehr vielen spannenden Trompetenstellen, aber dafür braucht man eben eine Orchesterbesetzung, die dafür geeignet ist. Die Aufmerksamkeit der Komponisten auf Instrumente wie Trompete, Hörner, Posaunen ist leider erst im Verlaufe der Romantik aufgekommen – also in Zeiten mit sehr großer Besetzung. Bei solchen kann man durchaus wahnsinnig viel üben. Bei anderen Werken spielt man wiederum beim Einspielen meist mehr, als man dann in den eigentlichen Stücken spielt.
Fanny: Man hat meistens eine Stimme ganz alleine, höchstens noch mit einer anderen Person zusammen. Die muss man dann natürlich können und kann sich nicht auch mal auf andere verlassen, die das Gleiche spielen.
Und zum Schluss: Was ist Eure Lieblings-Solostelle in einem Orchesterstück? Eine, die Ihr auf jeden Fall gerne einmal spielen würdet?
Adrian: Wenn man sich denn aus den vielen Orchestertrompetenstellen eine raussuchen müsste… Das Finale von Tschaikowskys 5. Symphonie in e-Moll, wenn das Schicksalsmotiv noch einmal in der Trompete kommt und sich über ein massives Orchestertutti drüberlegen darf.
Fanny: Da gibt es bei Flöten, Oboen und Klarinetten natürlich viel mehr Auswahl als bei mir. Die Stelle in „Le sacre du printemps“ von Igor Stravinsky ist natürlich legendär. Von alldem, was ich selbst schon gespielt habe, würde ich sagen, dass die „Pavane pour une infante défunte“ von Maurice Ravel schon sehr schön war.